Preisgekrönt: „Wir spielen, damit wir nichts vergessen“
Von: Js – Oberurseler Woche 19.06.2017
Der Künstler und Kunsttherapeut Andreas Hett ist bei der Gala zur Verleihung des Deutschen Generationenfilmpreises mit einem der Hauptpreise ausgezeichnet worden. Der mit 1000 Euro dotierte JuryPreis wurde beim „30. Bundes.Festival.Film.“ in den Mainzer Kammerspielen vergeben.
Die Grundidee stammt von Herrn D. aus dem Agnes-Geering-Heim. Im Pflegeheim hat der dementiell erkrankte ältere Herr fliegende Fische gebastelt. Wie viele Jahrzehnte zuvor als kleiner Bub. Aus Papier, stilisiert, wie das Fischsymbol, das die Heckklappen vieler Autos ziert, die von Christen gesteuert werden. Fliegende Fische, ein „Sinnbild für den dahinfliegenden Geist und für die Endlichkeit des Lebens“. So hat es der Oberurseler Künstler und Kunsttherapeut Andreas Hett interpretiert, der seit Jahren mit dementiell erkrankten älteren Menschen arbeitet. Und ein Projekt initiiert, das in dem Film weiterlebt, der in Mainz ausgezeichnet wurde.Die fliegenden Fische von Herrn D. schweben im Film „Wir spielen, damit wir nichts vergessen“ mit vielen anderen Papierfetzen aus luftiger Höhe von einem Kirchturm zu Boden.
Mit Kathrin Fink kommt eine zweite Ideengeberin ins Spiel, Oberursels Seniorenbeauftragte. Sie hatte sich das Kunstprojekt Demenz von Hett gewünscht und wollte dabei gerne junge Menschen integrieren. Gefunden hat Hett seine jungen Partner unter den Teamern der Konfirmandengruppen der Christuskirche. Sechs Jugendliche, die sich sechs Wochen lang mit acht hochaltrigen und an Demenz erkrankten Menschen im Alten- und Pflegeheim Haus Emmaus in Oberursel getroffen haben. „Es war beeindruckend, mit welchem Spaß und welcher Ernsthaftigkeit die Bewohner dabei waren“, sagt Einrichtungsleiterin Beate Lempp im Rückblick. Bei der Produktion der später fliegenden Fische und von drei großen gemeinsamen Bildern mit den Namen aller Teilnehmer, mit Handabdrücken auf Papier. Zerschnitten haben sie alles am Ende, „Demenz und die Endlichkeit unseres Lebens“ lautete der Arbeitstitel des Kunstprojekts mit abschließender Performance. Im strömenden Regen haben Junge und Alte Papier-Fische und die Einzelteile der zerschnittenen Bilder vom Turm der Christuskirche geworfen und dabei alle den dahinfliegenden Geist und immer wieder diese Endlichkeit gespürt.
„Mit seiner Poesie der schwebenden Schnipsel vermag der Performance-Künstler nicht nur die Patienten, sondern auch die Zuschauer zu begeistern“, lobt die Jury des Deutschen Generationenfilmpreises in der Begründung für die Vergabe des Hauptpreises „Besondere Anerkennung“ an Andreas Hett. Sein Kunstprojekt mit jungen Menschen und alten Menschen mit Demenz belege, „dass gesellschaftliche Integration durch Kunst gelingen kann“. Generationenübergreifend sollte das Projekt sein.
Sie lebt im Film weiter …
Als „sehr ergreifend“ haben Beate Lempp und Andreas Hett die Premiere der filmischen Dokumentation über die künstlerische Begegnung von sehr jungen und sehr alten Menschen erlebt. In einer „kleinen Prozession“, so Lempp, sind sie da rübergezogen in das ein paar hundert Meter entfernte Oberurseler Kleinkino „bluebox portstrasse“. Alle Beteiligten, die irgendwie noch konnten, im Rollstuhl oder mit Rollator. Eine Frau, die im Film eine tragende Rolle spielt, war nicht mehr dabei. Aber sie lebt weiter im Film, das sieht nicht nur der Filmemacher so. „Er bringt gut rüber, was wir gemacht haben und wie wir uns gegenseitig geholfen haben“, sagt Anna Marte, inzwischen 17-jährige Gymnasiastin aus Oberursel. Alle leben weiter im Film, Jannik (17), der auch dabei war, „regt er noch heute zum Nachdenken an“.
Gezeigt wurde der Film kurz nach der Premiere bei einer Veranstaltung zum Welt-Alzheimertag in Hofheim, später beim Europäischen Filmfestival der Generationen im Frankfurter Metropolis und nun als Höhepunkt für den Macher Andreas Hett beim Deutschen Generationenfilmpreis. Unter 800 Einsendungen kam er in die Runde der 40 für den Preis in mehreren Kategorien nominierten Filme, die beim dreitägigen Festival in Mainz präsentiert wurden. Ein paar Tage vor Festival-Beginn kam per E-Mail aus Bonn noch eine weitere Anerkennung. Das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend will den Film „Wir spielen, damit wir nichts vergessen“ auf seiner Website präsentieren. Auch weil das „mutmachende Projekt über eine bloße Dokumentation hinausweist und in seinen poesie-vollen filmischen Momenten echte künstlerische Qualitäten aufweist“, so die Jury.